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Vinzenz Hediger, Markus Stauff: Empirie
Empirie
(p. 10 – 14)

Vinzenz Hediger, Markus Stauff

Empirie
Einleitung in den Schwerpunkt

PDF, 5 pages

  • media studies

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Vinzenz Hediger

studied Philosophy, Film Studies, and American Studies in Zurich. From 1993 to 2000 he worked as a media journalist and film critic for professional journals and larger Swiss newspapers. From 2004 to 2011 he was C4-Professor for Theory and History of Visual Documentary Forms at the Ruhr-University Bochum. Since 2011 he holds the Chair for Film Studies at the Goethe-University Frankfurt. His research focus lies in the areas of film philosophy and the history of film and media theory as well as the investigation of non-canonical film formats, from science films to industry films and instructional films. He is currently working on a 15-volume edition on the history of film theory, which is being published by Amsterdam University Press under the title Film Theory in Media History.

Other texts by Vinzenz Hediger for DIAPHANES

Markus Stauff

studied Film and Media Studies in Bochum. He was a member of the collaborate research group on » Medien und kulturelle Kommunikation« (Cologne). Since 2008 he has been research assistant with the department of Media Studies at Amsterdam University.

Other texts by Markus Stauff for DIAPHANES
Gesellschaft für Medienwissenschaft (ed.): Zeitschrift für Medienwissenschaft 5

Die neuzeitliche Wissenschaft steht im Zeichen der Empirie. Als wissenschaftlich gilt vorzugweise, was Ergebnis von Experiment und Beobachtung ist und sich in mathematischen Größen ausdrücken lässt. Wer, wie in der Regel die Geisteswissenschaften, Theoriebildung nicht an Experimente mit serendipem Ausgang knüpft, gerät entsprechend unter Legitimationsdruck. Die Philosophie reagiert auf diesen Druck beispielsweise, indem sie vielerorts ihre alten Fragen zur Entscheidung an die Neurowissenschaft delegiert.

Die Medienwissenschaft nimmt hier eine in mehrfacher Hinsicht besondere Position ein: Zum einen sind Entstehung und Erfolg der naturwissenschaftlichen Empirie eng an mediale Möglichkeitsbedingungen gebunden. Zum anderen aber erhält die Entstehung der Disziplin oder des Feldes Medienwissenschaft selbst durch eine doppelte Abgrenzung Plausibilität: gegen eine materialitätsvergessene und damit ›zu wenig empirische‹ Geisteswissenschaft ebenso wie gegen eine ›bloß empirische‹ Kommunikationswissenschaft, die an den medialen Voraussetzungen von Kommunikation nicht interessiert ist. Darüber hinaus sind Radio, Film und Fernsehen historisch gesehen ohne das Steuerungswissen von Publikums- und Wirkungsforschung kaum denkbar – wobei nicht zuletzt die Netzwerkeffekte im Web 2.0, die weder prognostizierbar noch retrospektiv modellierbar sind, diesen etablierten Zusammenhang von Massenmedien und sozialwissenschaftlicher Empirie unterlaufen.

Gerade in einer Phase der dynamischen Entwicklung des Faches verdient aus medienwissenschaftlicher Perspektive noch einmal neu gedacht zu werden, was Empirie ist. Zunächst reklamieren unterschiedliche Ansätze der Medienwissenschaft starke, wenn auch spezifische Bezüge zu einer ›klassischen‹ Empirie – man denke an die Rückführung anthropologischer Theoriefiktionen auf technische Apriori oder die Nutzbarmachung der naturwissenschaftlichen Empirie von Neurobiologie und Kognitionspsychologie in medienästhetischen Zusammenhängen. Aber auch zwischen solchen Randpunkten zeichnen sich dynamische methodologische Diskussionen ab: In der New Film History und der Medienarchäologie wird mit akribischen Archivrecherchen und Modellen aus der Ökonomie und Wissenschaftsforschung gearbeitet; die Cultural Studies verfeinern weiterhin ethnographische und diskursanalytische Ansätze zur Analyse kultureller Praktiken und berühren sich dabei mitunter mit Ansätzen wie der Actor-Network-Theory und Theoriemodellen aus der Soziologie.

Der Themenschwerpunkt »Empirie« der Zeitschrift für Medienwissenschaft nimmt diese Spannungsfelder zum Ausgangspunkt, um das Konzept der Empirie historisch, theoretisch und wissenschaftspolitisch neu zu perspektivieren.

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