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Cornelius Borck: Schreibende Gehirne
Schreibende Gehirne
(p. 89 – 110)

Cornelius Borck

Schreibende Gehirne

PDF, 22 pages

Die experimentelle Physiologie verstrickte die Psyche in ein Gespinst von Messwerten und Kurven. Die Unanschaulichkeit der Daten wurde durch eine Metaphorik kompensiert, die grafische Spuren als eine Schrift ansah, die entziffert und verstanden werden kann. Obwohl es keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, dass die Grafen einer Sprache mit Zeichen und Gliederungsebenen vergleichbar seien, schienen die auf dem Papier sich schlängelnden Kurven des EEG dennoch als Hirnschrift lesbar zu sein. Jede Verbesserung der EEG-Technik rief neue Möglichkeiten hervor, Schriftformen zu generieren und immer weiter zu differenzieren. Die riesige Menge von Zeichen, die auf diese Weise produziert wurde, erforderte schließlich eine neue Technik des Lesens: Die Kurven wurden nicht mehr entlang physiologisch objektivierbarer Parameter dekodiert, sondern es wurde eine mustergestützte Bilderkennung betrieben.

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Cornelius Borck

Cornelius Borck

is Professor of History, Theory, and Ethics of Medicine and Science at the University of Lübeck in Germany where he is also Director of the Institute for History of Medicine and Science Studies. He was Associate Professor at McGill University with a joint appointment in the Department of Social Studies of Medicine and the Department of Art History and Communication Studies from 2004 to 2007. He worked at the Institute for Science Studies of the University of Bielefeld, the Max-Planck-Institute for the History of Science in Berlin, and directed a research group at the Faculty of Media, Bauhaus University Weimar. His current research deals with comparative aspects of the history of medicine in the 20th century, the history of brain research between media technologies and neuro-philosophy, and the epistemology of the unnoticeable in art and science.

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Psychographien

Softcover, 352 pages

PDF, 352 pages

Die Psyche ist zum Inbegriff von Eigentümlichkeit und Identität des Menschen geworden, gleichwohl sie tief in neuroanatomischen Strukturen, biochemischen Prozessen und genetischen Dispositionen verankert ist und einem ständigen historischen Wandel unterliegt.

Dieser Band schreibt die Geschichte dieser permanent unruhigen Differenz als Teil einer allgemeinen Mediengeschichte: Handschrift und elektrische Schaltungen, Film und Rechenmaschinen, Literatur und Institutionen haben das Verständnis der Psyche maßgeblich geprägt. So erweist sich, dass sich die Psyche nicht von ihrer Erforschung abtrennen lässt, die dasjenige, was sie beschreibt, mit erzeugt: Es sind die Mächte der Medientechnologie, der Verwaltung und der Phantasmen, die den Anschein erwecken, dass der Mensch ein beseeltes Wesen sei.

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